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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Jahrbuch der K. K. Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — NF. 4.1906

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Nr. 4
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Tietze, Hans: Johann Michael Rottmayr
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https://doi.org/10.11588/diglit.47869#0227
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Η. Tietze Johann Michael Rottmayr

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den Türkengefahr anheben lassen können. Die
künstlerischen Leistungen wahrend des größten
Teils des XVII. Jh., der unruhigen Zeiten des dreißig-
jährigen Krieges und der fortwährend drohenden
Türkeneinfälle, waren von der späteren Kunst sehr
verschieden. Hofkünstler niederländischer Abstam-
mung und Schulung, süddeutsche Wandervirtuosen,
bei denen der niederländische Einfluß gleichfalls
überwiegt, in den Norden verschlagene Komasken
und andere italienische Provinzkünstler meist nied-
rigen Ranges bestimmen die Kunstübung in den
großen Zentren. Das wenige, was an heimischer
Kunst daneben existiert, gibt sich willenlos jenen
sich kreuzendenEinflüssen hin, in den großen Städten
mehr der niederländischen Richtung, in der breiten
Kunstübung der Provinz aber hält sich ein seltsam
archaisierendes Auskommen mit italienischer Kom-
position, Farbengebung und Typik, deren Haupt-
quelle in entlegenen Gegenden bis in die dreißiger
Jahre des XVIII. Jh. Correggio ist!1) Wohl ist
auch der neue Stil, der sich mit dem letzten Jahr-
zehnt des XVII. Jh. von den Kunstzentren auszu-
breiten anfängt, keineswegs aller Anklänge an
italienische und niederländische Meister ledig, aber
was ihn von jener älteren Art unterscheidet, ist
die durchaus selbständige, nur ihm angehörige Ver-
arbeitung solcher fremder Elemente. Für den ersten
Abschnitt der Zeit, von der wir hier sprechen, ist
zumeist das Italienische die Grundlage, von der
ausgegangen wird; wie daraus ein Österreichisches
wird, dafür mag gerade Rottmayr als Beispiel
dienen.
Wer Rottmayrs erster Lehrer war, ist nicht be-
kannt, aber sicher hat er einen solchen vor Loth ge-
habt, denn er erzählt selbst, daß er „gleich nach aus-
gestandenen Lehrjahren“ jenem übergeben worden
sei.2) So müssen die ersten künstlerischen An-
regungen, die der Knabe empfangen hat, in Salzburg
gesucht werden. Als Chorknabe in dem seinem
Heimatsort benachbarten Stift Michaelbeuern hatte
er Gelegenheit, einiges, wenn auch bescheidenes
Kunstschaffen aus nächster Nähe zu sehen, denn
*) Siehe vorläufig über eine lokale Gruppe solcher
Maler in der Einleitung zum 1907 erscheinenden I. Band
der Kunsttopographie von Österreich, Krems. In einer
späteren Untersuchung gedenke ich auf die verworrenen
Zustände im XVII. Jh. zurückzukommen.
2) Vgl. Anhang. I.

gerade in jenen Tagen des Abtes Michael Trometer
(1637 — 1676) geschah allerhand für den Schmuck von
Kirche und Kloster. Sylvester Bauer aus Salz-
burg und andere ungenannte Maler waren hier tätig
und bei einem von diesen mag Rottmayr zuerst
in die Lehre gekommen sein. Diese erste Unter-
weisung dürfte wohl über eine technische Anleitung
nicht hinausgegangen sein, wenigstens zeigt keiner
der damals tätigen Salzburger Maler (Clemens
Beutel oder Beutler, Joh. Ant. Eismann, usw.)
nur irgendwelche Verwandtschaft mit Rottmayr.
Auch die beiden oberitalienischen Maler, die so
viel in Salzburg gearbeitet haben, Arsenio Mas-
cagni und der jüngere Solari, haben keinen Ein-
fluß auf den jungen Künstler ausgeübt. Eher kommen
noch die wandernden Virtuosen in Betracht, glänzen-
de Erscheinungen, die die gewaltige Unternehmung
des Dombaues hergelockt hatte und die die Seiten-
altarbilder im Dom malten, Franz de Neve,
Skreta, Sandrart, Johann Heinrich Schön-
feld. Nur bei letzterem fühlt man sich da und dort
an die spätere Art Rottmayrs erinnert, in den
Typen wie in der Komposition bemerkt man eine
ziemlich weitgehende Verwandtschaft.1) Ob diese
aber auf ein direktes Lehrer- und Schülerverhältnis
in Rottmayrs jungen Jahren zurückgeht oder ob
dieser erst später, in seine Heimat zurückgekehrt,
den Bildern des älteren Meisters einige Einwirkung
verdankt, läßt sich kaum entscheiden, da wir eigent-
liche Jugend werke Rott mayrs nicht kennen, sondern
gesicherte Arbeiten erst aus seinem 37. Lebensjahre
haben, nachdem er dreizehn Jahre bei Loth in
Venedig gewesen war.
Rottmayr selbst hat diese Lernzeit als die
Hauptsache in seiner Ausbildung angesehen: er
sei „dem weltberümbten Carl Loth zu Venedig
ad Studia (die ich 13 ganzer Jahr ohn außgesetzter
Continuiert) übergeben worden, hab allmöglichst
mich beflissen disses so hochaestimierten Künstlers
b Man vergleiche das frühe Bild Rottmayrs n. 1586
des Kunsthistorischen Hofmuseums in Wien mit dem Schön-
feld sehen Bild daselbst n. 1642; bei beiden der gleiche
Frauentypus mit der kleinen spitzen Nase; der Knabe mit
dem zurückgeworfenen Oberkörper, dem offenen Mund
und den weit aufgerissenen Augen. Kompositionell erinnert
unter den Bildern Schönfelds im Salzburger Dom besonders
eines, die Heiligen Rochus und Sebastian (das übrigens
erst unter Erzbischof Hieronymus Colloredo nach Salzburg
kam), an Rottmayr.
 
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